Es haben sich einige Mythen über Elektroautos (EVs) etabliert, besonders in den Kreisen der Stammtische, wo das Stammtischwissen fleissig verteilt wird. Ich liste hier mal einige der Aussagen und schreibe zu jeder etwas dazu. Es ist zwar bisschen auf Tesla bezogen, weil ich selbst einen fahre, das Meiste passt aber auch zu z.B. VW, Kia oder Polestar.
“Elektroautos brennen einfach und oft. Der Akku kann sich jederzeit leicht entzünden, auch ohne Unfall.”
Eine US-amerikanische Versicherung (AutoinsuranceEZ) kam zu dem Ergebnis, dass EVs weniger brennen als Verbrenner. Etwa 60 mal weniger, um genauer zu sein. Dafür brennen Hybride etwa 2 mal so oft wie die Verbrenner. Das liegt vermutlich daran, dass beides vorhanden ist, ein Lithium-Akku und Benzin. Und die Statistik berucksichtig bereits, dass es weniger EVs gibt als Vebrenner, denn die Angaben sind pro 100.000 Stück des jeweiligen Fahrzeugtyps und somit vergleichbar.
“Klima verbraucht viel Energie, deswegen muss man im Winter frieren und im Sommer kochen.”
Die Klimaanlage beispielweise in einem Tesla verbraucht relativ wenig (in etwa 700W), da es eine Wärmepumpe ist. Das sind etwa 5% des Gesamtverbrauchs. Es gibt im Tesla einen sg. Camping-Modus, mit dem man irgendwo hinfahren kann, abstellen und das Auto ist dann dauerhaft eingeschaltet, klimatisiert oder geheizt, um darin zu schlafen, campen etc. Mit einem vollen Akku kann man durchaus 5-6 Tage irgendwo stehen bleiben. Das heisst der Verbauch ist nicht besonders gross, und wirkt sich bei der täglichen Fahrweise nicht sonderlich aus.
“Das Laden dauer lange, man muss stundenlang warten bis das Auto aufgeladen ist und man weiter fahren kann.”
Man kann natürlich stundenlang warten, wenn man am langsamen AC-Lader lädt. Das macht man aber nur Zuhause über Nacht oder am Arbeitsplatz während man arbeitet, oder an einem Strassenlader, wenn man parkt, oder am Supermarkt, IKEA, usw. Allerdings, wenn man unterwegs ist zu einem weiter entfernten Ziel, dann gibt es Schnellader, bei Tesla “Supercharger” genannt. Diese laden sehr schnell, man kann nach 20 Minuten gleich weiter fahren, wenn man alles richtig gemacht hat. Die 20 Minuten sind die durchschnittliche Ladezeit an den Superchargern von Tesla. Normalerweise lädt man aber nicht mal so lange, weil das sonst länger dauern würde als notwendig. Man lädt dafür öfters, muss es aber nicht so handhaben.
“Ein Elektroauto kann nicht so schnell sein wie ein Verbrenner, vom Drehmoment kommt die Kraft auf die Strasse.”
Diese Aussage habe ich relativ selten gehört, vermutlich von den Menschen, die mal einen kleinen EV gefahren sind oder womöglich doch gar keinen. Stimmt natürlich nicht, die schnellsten bezahlbaren Autos sind EVs, vergleichbare Verbrenner kosten das 2- oder 3-Fache. Die Beschleunigung, sogar in dem kleinsten Tesla, ist sehr ordentlich, in den grösseren Modellen eher brachial.
“Das Stromnetz kann die notwendige Energie nicht liefern, wenn alle Elektroautos fahren würden.”
Kann schon, weil bis alle EVs fahren dauert es noch einige Jahrzehnte. Vor 30 Jahren war der Stromverbrauch auch nur etwa 1/5 des heutigen, wir haben aber die Stromnetze ausgebaut und es ist nichts schlimmes passiert. Bis alle einen EV haben dauert es noch und bis dahin wird es auch ausgebaut sein. Übrigens wird in der Zukunft vermutlich nicht mehr jeder Mensch ein Auto haben, der jetzt eins hat. Der Stromverbrauch würde nur um etwa 20% steigen, wenn alle auf einmal auf Elektroautos umsteigen würde (Beispiel für die Schweiz).
“Elektroautos sind in Wahrheit gar nicht umweltfreundlicher, weil seltete Erden verwendet werden.”
Ja, ein EV ist erst nach etwa 60-70.000km auf “Null” mit der Umwelt. Danach fährt es aber noch einige hunderttausende Kilometer und dann hat zusätzlich noch null Emissionen in der gesamten Zeit. Die seltenen Erden, wie Kobalt und Lithium, können zu etwa 95% recycled werden.
“Die Reichweite ist noch ziemlich schlecht, man kommt keine 150km weiter mit einer Akkuladung.”
Ein durchschnittlich guter EV hat eine WLPT Reichweite von etwa 550-600km. Diese kann man mit einer normalen und ruhigen Fahrweise tatsächlich gut erreichen. Der Akku kann aber auch nach 200km bereits leer sein, wenn man übertreibt. Das gleiche passiert aber auch mit einem Porsche, der gerne 70l Sprit in 200km verbraten kann. Im Winter ist die Reichweite tatsächlich etwa 15-20% kleiner (aber auch nur beim kalten Akku, also bei vielen kurzen Fahrten), das Problem haben auch andere Lithium-Akkus in allen Geräten. Im Frühling ist die Kapazität aber wieder vollständig da.
“Elektroautos sind noch viel zu teuer, damit sich jeder eins leisten kann. Gebrauchte haben schlechten Akku.”
Man kann einen gebrauchten Tesla Model S mit vor kurzem ausgetauschten Akku und Motoren für etwa 20.000€ kaufen. Dabei ist noch das lebenslange kostenlose Laden an den Schnellladern von Tesla mit dabei. Somit zahlt man danach nichts mehr für das Fahren, wenn man sich gut anstellt.
“Der Akku wird keine 70.000km halten, danach muss er für 25.000€ sehr teuer getauscht werden.”
Der Akku wird vermutlich länger halten als 400.000km, und dann hat er noch sicher 80-85% der ursprünglichen Reichweite. Es gibt sehr viel z.B. Tesla Model S Fahrer, die Hunderttausende km gefahren sind und nicht vor haben aufzuhören. Die Autos haben es auch nicht vor. Der Tausch des Akkus, sollte es tatsächlich mal nötig werden, kostet in etwa 15.000€ und hält danach auch wieder 400-500.000km. Und wenn es soweit ist sind die Akkus im Preis sicherlich wieder gesunken.
“Elektroautos werden nur gekauft, weil es vom Gesetzgeber gefördert wird. Sonst würde sich niemand eins kaufen.”
Kann sich jemand an die Abwrackprämie erinnern? Natürlich werden EVs gefördert, ansonsten bleiben die Menschen bei der alten Technik. Man könnte sie auch einfach zwingen, was allerdings zu hart wäre. Durch den Preis entscheiden sich sehr viele Menschen für einen EV und entdecken dabei all die anderen Vorteile.
“Elektroautos sind viel schwerer als Verbrenner, das kann gar nicht sparsam sein, deswegen ist der Akku auch schnell leer.”
Das Gewicht eines Elektroautos ist, im Gegensatz zu einem Verbrenner, weniger entscheidend, da die gesamte Bewegungsenergie beim Elektroauto durch Rekuperation zurückgewonnen werden kann, vorausgesetzt man muss nicht stärken bremsen als die Rekuperation es schon tut. Bei Verbrennern hingegen geht diese Energie in Form von Wärme in den Bremsscheiben verloren. Auch die Bremsscheiben und Beläge gehen da durch Bremsen schneller verloren.
“Gebrauchte Elektroautos wird man nie los, die möchte niemand kaufen und somit sind sie nichts mehr wert.”
Es werden sehr viele verkauft, und auch sehr viele gekauft. Der Preis fällt zwar schnell, dadurch sind die Gebrauchtpreise relativ gut, man bekommt viel für das Geld und man hat nicht die Verluste des Anfangsbesitzes. Menschen kaufen die gebrauchten EVs gerne, wenn der Preis stimmt, man kann sich immer auf den Autobörsen im Internet umschauen und bekommt es bestätigt. Ausserdem ist das Auto, abgesehen von sehr wenigen Modellen, keine Geldanlage.
“Die wartungskosten sind viel höher als bei einem Verbrenner, da es eine neue und teure Technologie ist.”
Die Wartunskosten eines EV sind, Reifen, Scheibenwischer, Wasser für diegleichen, Waschanlage usw. abgezogen viel geringer als die einer Verbrenners. Es kann auch gar nicht so viel kaputt gehen wie in einem Verbrennermotor, da alles viel einfacher und stabiler aufgebaut ist. Ausserdem sind die Nutzungskosten auch geringer, in etwa nur die Hälfte für die gleichen gefahrenen km.
“Die Umweltverschmutzung durch die Batterien, vermeintlich deren geringe Haltbarkeit, produziert Sondermüll, da kein Recycling möglich ist.”
Die Lithium-Batterien im EV enthalten in etwa 10kg Lithium und auch bisschen an Kobalt, welche beide fast vollständig recyclebar sind. Vor dem Recycling kann man die Batterie aber nochmals erstmal sehr, sehr lange stationär als Stromspeicher nutzen. Weitere seltene Erden sind in den Magneten der Motoren enthalten, diese können ebenfalls sehr gut recycled werden.
“Es gibt kaum Lademöglichkeiten, man muss viel Umweg fahren um das Auto zu laden, das lohnt sicht nicht.”
Tatsächlich gibt es wenige Länder in Europa, wo das Laden bisschen schwieriger ist, aber in Deutschland und Westeuropa hat man in etwa alle 60-70km eine schnelle Lademöglichkeit, von den zahlreichen langsameren ganz abgesehen. Und man kann genauso gut Zuhause oder auf der Arbeit laden, was viele Menschen bereits können.
“Der Strom für die Elektroautos kommt vom Kohlekraftwerken und somit sind diese umweltbelastend.”
Das ist richtig, aber nicht das Problem der EVs, weil wenn man will, dann kann man bereits jetzt schon 100% grünen Strom laden und sogar zu noch geringeren Kosten. Und wie der Strom erzeugt wird ist unbedeutsam, denn dafür kann das Auto nichts. Man rechnet beim Verbrenner auch nicht die (enorme) Energie mit ein, die in einer Raffinerie aufgewendet wird.
“Wir wohnen sehr abgelegen, wir könenn nirgendwo laden, denn die nächste Lademöglicheit ist 10km entfernt.”
Wenn ihr das Dorf nie verlässt, dann braucht ihr auch vermutlich kein Auto, und wenn doch, dann müsst ihr das Auto praktisch nie laden. Ansonsten lädt man normal ausserhalb des Dorfes, wenn man unterwegs ist, an Schellladern.
Wenn Sie bis hierhin gelesen haben: alle “Aussagen” sind falsch ;)
Die Menschen würden auch noch weiterhin Kutsche fahren, wenn den jemand 1895 gesagt hätte, dass es gar nicht genug Benzin in den Apotheken gibt, um alle Autos ausreichend mit Sprit zum Fahren zu versorgen.
Hier noch ein Paar Links einfach zum Thema, gesammelt ohne Pro und Kontra:
https://www.tagesschau.de/faktenfinder/e-autos-mythen-100.html
https://www.bmw.com/de/innovation/elektroauto-mythen.html
https://blog.chargemap.com/de/10-argumente-gegen-elektroautos
https://www.erdgas-suedwest.de/natuerlichzukunft/12-mythen-elektromobilitaet-falsch/
https://www.weekend.at/motor/e-autos-sind-schon-beim-haendler-sauberer-als-verbrenner
https://www.allesauto.at/brandgefahr-bei-elektroautos/
https://www.vdi.de/news/detail/e-auto-ausloeser-fuer-brand-auf-einem-frachter-vor-ameland
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